Kann ein Tempolimit die Welt retten?

(Lesedauer: 4 min.)

Irgendwer ruft mal wieder nach einem Tempolimit auf Autobahnen um die Umwelt zu retten. Vor wenigen Wochen die DUH (Deutsche Umwelthilfe) und heute brandaktuell eine Regierungskommission mit dem wohlklingenden Namen „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“.

Doch hilft eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen wirklich der Umwelt? Ich hab da so meine Zweifel, die ich gerne zur Diskussion stellen möchte:

Die durchschnittliche Real-Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen liegt heute bereits kaum über den angepeilten Limits. Rund 30% des deutschen Autobahnnetzes sind bereits dauerhaft beschränkt. Hinzu kommen Baustellenbereiche sowie ca. 10% Autobahnkilometer mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen für variable Tempolimits. Welcher Prozentsatz der Verkehrsteilnehmer fährt denn auf dem unbeschränkten Rest des Streckennetzes überhaupt wesentlich schneller?

Und löst dieser eher geringe Anteil des Autobahnverkehrs, den man durch ein generelles Limit einbremsen könnte, unsere Umweltprobleme?

Nicht, wenn man einer Berechnung des ADAC Glauben schenken darf: der bezieht sich in seiner Kalkulation auf eine Studie des Umweltbundesamts, laut der sich bei Tempo 120 die CO2-Emissionen um 9 Prozent senken ließe. ABER ACHTUNG: nur auf Autobahnen! Der PKW-Verkehr dort macht jedoch bloß ein Drittel der Gesamtfahrleistung der PKWs aus. Die CO2-Einsparung im gesamten PKW-Verkehr aller Straßenarten würde durch ein Autobahn-Tempolimit also ca. 3% betragen. Der PKW-bedingte CO2-Ausstoß ist für etwa 13 Prozent der CO2-Emissionen insgesamt verantwortlich, so dass unter’m Strich maximal 0,5% CO2-Einsparung durch ein Tempolimit auf Autobahnen zu erreichen wäre. Im Idealfall.

Das halte ich also für Fehlpolitik. Weitaus größere Luftverpester als der PKW-Verkehr auf Autobahnen sind gewerblicher Lastverkehr, Landwirtschaft, Flugverkehr, Energieerzeugung, Schifffahrt… Dort wird aber bei weitem nicht so viel Diskurs betrieben, obwohl die Effekte mit Sicherheit größer wären. Es gäbe so viele Stellschrauben die erheblich mehr Auswirkung auf die Umwelt haben könnten. Warum wird an der kleinsten so massiv gedreht? Was soll dieser Unfug? Wollen wir unserer Umwelt wirklich helfen, oder nur kosmetischen Populismus betreiben?

In absoluten Zahlen: bis zu 3 Mio. Tonnen CO2 soll ein Tempolimit von 120km/h angeblich einsparen. Im Hinblick auf die Kohlemeiler einfach ein mickriges Nümmerchen! Hauptsache wir roden weiterhin Wälder für die Braunkohle und fahren dafür nur noch 120 auf der Autobahn, damit haben wir dann die Welt gerettet, hurra! Das ist doch an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Schalten wir einfach ein einziges Kohlekraftwerk ab, dann sparen wir ein Vielfaches davon, ganz ohne weitere Gängelung des Bürgers.

Auch zu bedenken: Wenn man auf der Autobahn keine Zeit mehr sparen kann durch höheres Tempo, könnten viele Autofahrer womöglich auf kürzere Routen wechseln, und das sind meistens Landstraßen. Was passiert aber, wenn wir Verkehr auf die Landstraßen verlagern, welche dem Verkehrsaufkommen nicht gewachsen sind? Es folgen mehr Staus, mehr aggressive Überholvorgänge, unnötige Abgase… Ob die Umweltbilanz unter’m Strich dadurch spürbar positiv beeinflusst wird?

Und dass die Anwohner dieser Landstraßen-Routen sich über den erhöhten Ortsdurchgangsverkehr von Autobahnmeidern freuen werden, ist nicht zu erwarten. Da werden dann Rufe laut werden nach Ortsumgehungsstraßen, Tunnels, Lärmschutzwänden und so weiter. Oder es wird „Super-Landstraßen“ geben müssen, wie man sie bspw. aus Italien kennt. Autobahnähnlich ausgebaute, mehrspurige Schnellstraßen ohne Ortsdurchfahrten quer durch’s Land. Bauliche Maßnahmen, durch welche Natur zubetoniert wird. Flächenfraß der garantiert keinen Umweltschützer freut.

Aus Umweltschutzgründen spricht also nicht sehr viel für ein Tempolimit. Wie sieht es mit dem Sicherheitsaspekt aus?

Deutschland ist bei der Zahl der Verkehrstoten insgesamt (alle Straßenarten) unter dem EU-Durchschnitt. Deutschlands Autobahnen sind nicht unsicherer als die vieler unserer Nachbarländer mit Tempolimits. Pro Mrd. gefahrener Streckenkilometer gibt es auf Deutschlands Autobahnen weniger Tote als auf den Autobahnen bspw. in Österreich, Norwegen, Finnland, Belgien, Italien, Portugal, Spanien, Ungarn, usw… Die entsprechenden Statistiken sind öffentlich einsehbar. Google hilft beim Finden. Deutschland ist da ungefähr im Mittelfeld, also nicht wesentlich sicherer, aber eben auch nicht wesentlich unsicherer als der europäische Durchschnitt, die doch alle Tempolimits haben.

Der ADAC hat Unfallstatistiken analysiert und kommt zu folgender Aussage:

„Beim innerdeutschen Vergleich ereignen sich auf Abschnitten ohne Tempolimit nicht mehr Unfälle als auf Strecken mit Tempolimits von 120 oder 130 km/h. Eine höhere Unfallschwere (Getötete je 1000 Unfälle mit Personenschaden) lässt sich zudem ebenso wenig feststellen.“

https://www.adac.de/verkehr/positionen/tempolimit-autobahn-deutschland/

Der Verkehr verteilt sich in Deutschland ungefähr zu gleichen Teilen auf die Straßenarten Ort, Land, Autobahn. Während bei nahezu gleichmäßiger Verteilung der Fahrzeugmassen auf die Autobahn nur ca. 13% der Verkehrstoten entfallen, sind es auf Ortsstraßen 31% und auf den Landstraßen 56%. Gefährlicher sind also die Landstraßen. Die meisten Verkehrstoten gibt es dort, und nicht auf der Autobahn. Aus dieser Warte halte ich es ehrlich gesagt für fragwürdig, Verkehr auf die risikoreicheren Landstraßen zu drängen. Ob sich das nämlich positiv auf die Unfallzahlen auswirken würde, darf zumindest bezweifelt werden.

Alles übrigens auch Argumente gegen eine PKW-Maut, die ja nun für 2020 beschlossene Sache ist. Die gepaart mit Tempolimit würde Autobahnen erheblich unattraktiver machen und damit ganz enorm Verkehr auf die Landstraßen verlagern. Dass genau das wirklich passiert, sieht man an der LKW-Maut, die u.a. deswegen nun auf 40.000km Bundesstraßennetz abseits der Autobahnen ausgeweitet wird (die blauen Säulen, die viele Autofahrer für Blitzer halten). Im wesentlichen ist diese Bundesstraßen-Maut ein Versuch die LKWs wieder zurück auf die Autobahnen zu bringen, runter von den überlasteten Landstraßen.

Es muss also zumindest mal drüber nachgedacht werden, ob es den hehren Umweltzielen wirklich nützt, die Autobahnen unattraktiver zu machen. Das muss in den Überlegungen unbedingt mit berücksichtigt werden!

Denn einfach nur „Tempo runter, Umwelt heile“ funktioniert so simpel dann halt doch nicht. Da hängt bisserl mehr dran.


(UPDATE) Vier Wochen nach dem Erscheinen meines Artikels hat die auto, motor & sport auf ihrem YouTube-Kanal ein Video veröffentlicht, das meine Argumentation unterstreicht und in einigen Punkten sogar noch weiter ausführt. Sehenswert:

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