Was ich am NFT-Hype nicht verstehe

(Lesedauer: 4 min.)

Vorab: ich bin zwar kein eingefleischter Nerd, aber prinzipiell technikinteressiert und Neuem aufgeschlossen. Ich sehe in der Blockchain-Technologie viel Potential, habe selbst in einige Kryptoprojekte bzw. deren Coins investiert. Ich finde Blockchain-Netzwerke und viele darauf bauende Konzeptideen spannend. Grundsätzlich finde ich es einen guten Ansatz, mittels Blockchain die Echtheit und Authentizität eines digitalen Originals rückverfolgbar zertifizieren zu können. Non-Fungible Token lösen ein Problem, das bisher kaum lösbar war.

Ich bin der Idee hinter dem NFT-Prinzip also nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil.

Nur der aktuelle, in meinen Augen völlig überzogene Hype um digitale Kunst als Investmentobjekt verwirrt mich ein wenig. Wieso wird plötzlich so vieles als Kunst mit Wertsteigerungspotential betrachtet, nur weil man es auf der Blockchain digital als Original ausweisen kann? Belegte Authentizität alleine ist doch noch nichts wert. Wieso sieht sich jedermann jetzt als Kunst-Investor, der so ein vermeintliches „Kunstwerk“ haben muss und damit auf Rendite spekuliert?

Ist das Kunst oder kann das weg?

Wenn man sich in den NFT-Börsen umschaut, fragt man sich bei den meisten Sachen was das da eigentlich soll. Ganz vieles würde wohl nicht mal die erforderliche geistige Schöpfungshöhe erreichen, um vor deutschen Urheberrecht als schützenswertes Werk zu gelten. Da wird allerlei geistiger Dünnschiss als NFT-Kunst angeboten, der sonst niemals in einem Verlag oder einer Galerie ins Portfolio käme. Die Redewendung „Ist das Kunst oder kann das weg?“ bekommt eine ganz neue Aussagekraft im Hinblick auf das Angebot in NFT-Börsen.

Kunst kommt von „Können“.
Käme sie von „Wollen“, hieße sie Wunst.

99% der Sachen dort sind sowohl für Kunstliebhaber als auch für Investoren uninteressant. Von Müll ist in aller Regel keine Wertsteigerung zu erwarten, wieso sollte man in sowas investieren? Die 1% der womöglich interessanten NFTs schießen binnen kürzester Zeit in utopische Preisregionen, die einen am Verstand der Menschheit zweifeln lassen. Ist ja der Realkunstmarkt schon sehr spekulativ, weil sich Wert von Kunst nie objektiv, sondern immer nur am Interesse und Geldbeutel der Käuferschaft messen lässt. Der NFT-Kunstmarkt setzt dieser Wert-Spekulation noch eine Krone auf. Da plustern sich gerade extrem riskante Spekulationsblasen auf.

Kunst ohne Künstler, ohne Substanz

Wieso werden beispielsweise von AI automatisch erzeugte gelangweilte Affenbilder zu Millionenbeträgen gehandelt? Da hat nicht mal ein Künstler dran gesessen.

Kunstwerke haben unter anderem auch deswegen einen Wert auf dem Markt, weil der Künstler der sie geschaffen hat, ein Renommée hat. Es gibt eine Geschichte zur Person und ihrer künstlerischen Fertigkeiten. Bei vielem was auf NFT Börsen feilgeboten wird, kann von Fertigkeiten der Person nicht die Rede sein. Gelegentlich nicht mal von einer Person, sondern nur von einem Computeralgorithmus.

Gut, was Kunst ist oder eben auch nicht, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Meinetwegen ist auch von künstlicher Intelligenz Geschaffenes nun ein Kunstwerk. Teilen sich ja immerhin „Kunst“ im Wortstamm. Darf man so sehen. Aber welchen Wert hat das heute und in Zukunft? Und wozu das Original zu Mondpreisen kaufen, wenn das Duplikat gleichwertig ist?

Von materieller Kunst ein Duplikat zu besitzen, ist ein erheblicher Unterschied zum Original. Das originale Tonband einer alten Studioaufnahme ist rein substanziell schon einzigartig und nicht reproduzierbar. Ein Verlust wäre nicht rückgängig zu machen. Es ist auch etwas anderes, ob ich ein echtes Ölgemälde von Monet betrachte, oder einen Kunstdruck davon.

Konsum statt Besitz

Ich finde diesen momentanen NFT-Haben-Will-Hype etwas schizophren. Zum Beispiel bei Musik und Film will heutzutage eigentlich kaum jemand überhaupt noch einen echten Ton- bzw. Videoträger besitzen. CD-, Vinyl- und DVD-Verkäufe sind zum Nischenmarkt geworden. Nicht mal eine digitale Kopie in Form einer MP3-Datei will man vom Musikstück erwerben um es zu besitzen. Der Stream über Spotify, Amazon oder Netflix und ähnlichen genügt den meisten. Kündigen sie ihr Streaming-Abo, besitzen sie nichts. Und das wollen sie auch gar nicht. Sie wollen dem Künstler nichts mehr abkaufen, nichts von ihm haben.

Sie wollen ihn nur konsumieren ohne sein Werk (oder eine legale Kopie davon) zu erwerben. Aber NFTs sind jetzt ein Must-Have? Woher dieses Interesse für die originale Ursprungsdatei, zum Beispiel den Master-Edit der ursprünglichen Aufnahme eines Songs, der sich in keiner Weise von der Kopie unterscheidet? Bei digitaler Kunst gibt es keinen Qualitätsunterschied zwischen Original und Kopie. Wohingegen bei analogen Werken das Original nicht nur inhaltlich, sondern in der Regel auch handwerklich in seiner Machart bewundernswert und als materielles Objekt ein Unikat ist.

Originalität wichtiger als Einzigartikeit

Analoge Kunst kennt kein Backup, das Original ist immer auch ein Unikat. Ein digitales Bild kann zwar inhaltlich, aber niemals in seiner Substanz einzigartig sein. Digitale Kunst, ob nun Bild, Musik, oder sonstiger digitaler Inhalt lässt sich ohne jeglichen Qualitätsverlust mit nur einem Mausklick ohne Arbeits- oder Materialaufwand duplizieren und somit auch für eine Wiederherstellung sichern. Welchen Mehrwert hat ein Original wenn es kein Unikat ist und jedes seiner Duplikate identisch?

Außer den Ego-Schub, dass man sagen kann „Ich habe das Original“? Das mag für Narzissten ein lohnendes Investment in ihr Selbstwertgefühl sein. Eine Investition ins eigene Image, um sagen zu können man sei hip und dabei. Wenn der Trend vorüber ist und man verkaufen will, dürfte es schwierig werden auch nur einen Teil seines Investments wieder rauszubekommen.

Flaut der Hype um das Motiv ab, interessiert das digitale Original kaum noch einen. Für jemanden der einfach nur das Motiv schön findet, wäre der Besitz einer dem Original identischen Version problemlos möglich. Und ausreichend, weil qualitativ gleichwertig zum Original. Und solang man es nur für sich privat besitzt und keine kommerzielle Nutzung, Verkauf, Veröffentlichung oder weitere Vervielfältigung in Erwägung zieht, ist der Besitz einer Privatkopie in den meisten Fällen sogar legal.

Zukunftsmarkt oder Investmentblase?

Für Investoren, die Kunst mit Hinblick auf Wertsteigerung als Investment betrachten, und sich davon bei einem zukünftigen Verkauf Rendite erhoffen, erscheinen mir die Zukunftsaussichten der allermeisten NFT wenig glorreich. Wird es dafür künftig einen relevanten Käufer-Markt geben, auf dem heutige NFT-Investoren eine Verkaufsrendite für ihr teuer erworbenes Original erzielen werden können? Oder sind diese aktuellen Preise bereits ein dem Hype geschuldeter Peak, der kaum noch übertroffen werden kann?

Ich bin da insgesamt skeptisch. Nicht was die Technologie der Non-Fungible Token auf der Blockchain als solches angeht, aber was die aktuelle und künftige Wertentwicklung der aktuell so gehypten „digitalen Kunstwerke“ angeht. Wenn überhaupt noch jemand Interesse an so einem Affenbildchen hätte, genügt ihm dann mit Sicherheit auch ein dem Original gleichwertiges digitales Duplikat.

Oder womöglich sogar eine gestreamte Version, wie bei Musik & Film.

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