Die Sache mit den Elektro-Motorrädern

(Lesedauer: 5 min.)

Im Automobilsektor sind die Weichen in diese Richtung gestellt, und auch im Motorradsektor könnte es so kommen: die rein elektrische Mobilitätszukunft.

Nahezu jede Marke hat bereits Elektro-Modelle im Programm, Kawasaki hat angekündigt ab dem Jahr 2035 nur noch elektrische Motorräder verkaufen zu wollen. Es gibt schon heute spezialiserte Hersteller die nur Elektromotorräder bauen, wie zum Beispiel Energica, Zero oder Verge.

Rein von den Fahrleistungen sind all diese Elektromotorräder sicher ein spannendes Erlebnis. Auch optisch haben sie was zu bieten. Die meisten haben erheblich mehr Drehmoment als viele Verbrennermaschinen, und das liegt auch noch jederzeit permanent voll an. Man braucht nicht schalten um den optimalen Drehzahlbereich zu finden, das hat aus fahrdynamischer Sicht schon einen gewissen Reiz. Du kannst in jeder Lebenslage voll durchziehen ohne Gänge sortieren zu müssen.

In puncto Performance brauchen sich die Elektros bestimmt nicht verstecken hinter den Verbrennern. Mein Anspruch an einen gelungenen Motorrad-Tag lässt sich jedoch nicht auf Fahrleistungen allein reduzieren.

Uninteressant, trotz interessanter Performance

In meiner alltäglich gelebten Motorrad-Realität stelle ich mir folgendes schwierig vor: Wir fahren meist Tagesausflüge von rund 250-350 km. Auf Motorradreisen will man auch mal Etappen von über 400km schaffen um ans Urlaubsziel zu kommen.

Die Reichweiten der meisten Elektro-Modelle liegen bei flotter Landstraßenfahrt unter 200 km, je nach Fahrweise sogar erheblich darunter. Innerstädtisch bei Ortstempo, wo im Stop&Go die Rekuperation viel Energie zurück in den Akku schicken kann, sollen manche Modelle laut Hersteller zwar um die 400 km Maximalreichweite erzielen können (wirklich?), aber wollen die Dinger denn Cityscooter oder Motorrad sein?

Bei sportlicher Gangart über kurvige Landstraßen, womöglich noch in hügeliger Landschaft bergauf/bergab, oder hat man Sozius bzw. Gepäck dabei, ist bei vielen nach 120-150 km Schluss. Also muss in der Praxis zwischendrin aufgeladen werden, womöglich sogar mehrfach.

Das ist eine Distanz, nach der man zwar üblicherweise eh mal ein Päuschen einlegt. Aber wo und wie lange, das soll bitte nicht die Ladesäule entscheiden. Normalerweise pausiert man als Biker bevorzugt dort wo’s schön ist: an einem landschaftlich attraktiven Aussichtspunkt, bei einem Biker-Treff zum Austausch mit anderen Motorradfahrern, in einem guten Restaurant für ein Essen.

Was, wenn alle elektrisch fahren?

Und dann kommt so eine Gruppe wie wir, die wir gern zu fünft/sechst unterwegs sind, alle müssten gleichzeitig laden um weiterzukommen. Wo findest genug Ladesäulen wenn alle elektrisch fahren? Sicher nicht an landschaftlich schönen Strecken oder touristisch attraktiven Punkten, bei einer gemütlichen Einkehr, wo die Akkus aufladen während die Fahrer lecker speisen.

Macht man bei Motorradtouren dann künftig Pause im Industriegebiet an einer schnurgeraden Bundestraße, im E-Ladepark am Randstein sitzend neben den Supercharger-Säulen? Nach ca. 30-40 Minuten sind etwa 80% Akkuladung geschafft. Wartet man die Vollladung für maximale Reichweite ab, kann es über eine Stunde dauern. Am Schnelllader wohlgemerkt. Über Laden an einer normalen 230V-Haushaltssteckdose brauchen wir gar nicht nachzudenken.

Sogar wenn nur einer in der Gruppe elektrisch unterwegs ist, gestaltet es sich womöglich schwierig: Es werden sich die anderen schön bedanken wenn sie wegen einem Elektrobike einen Umweg zur Ladesäule im nächsten Ort mit mindestens halbstündiger Zwangspause am Straßenrand machen müssen. Man könnte einsam werden, als Elektromotorradfahrer.

Falls Bikertreffs und Restaurants entlang beliebter Motorradstrecken die Entwicklung mitgehen und Starkstrom-Lademöglichkeiten schaffen sollten auf ihren Parkplätzen, würden die an einem sonnigen Sommerwochenende wohl kaum für Dutzende Biker reichen, die alle gleichzeitig während der Mittagseinkehr ihre Elektrobikes aufladen wollen. Wer schon einmal mittags die Parkplätze vor Ausflugslokalen an Motorradrouten gesehen hat, weiß was ich meine.

Bei manchen Herstellern gibt es zwar extra Reichweiten-Pakete in der Zubehörliste, die mit stärkeren oder zusätzlichen Akkus für eine etwas höhere Reichweite sorgen sollen. Derart ausgestattete Maschinen wiegen dann aber auch gern mal so viel wie große Reise- und Tourenmotorräder. Um die 275 kg im Kleid eines agilen Sportmotorrads. Ein üppiges Gewicht, das man trotz aller Motorperformance und sportlicher Optik natürlich immer spüren wird bei Kurvendynamik, beim Bremsen, beim Rangieren und falls einem das Ding im Stand mal ins Kippen kommen sollte. Mehr Akkukapazität bedeutet letztlich auch längere Ladezeit bis die wieder voll ist.

Für wen ist das also was?

Solang sich Batterie- und Ladetechnologie nicht noch ganz erheblich verbessern, haben Elektromotorräder in erster Linie für urbane Eisdielen-Poser einen Sinn, die nicht weiter fahren als von der heimischen Garage zum Arbeitsplatz oder dem Café im Nachbarort. Auf dem Rückweg vielleicht noch ein kurzer Umweg über die Flaniermeile im Stadtzentrum, um sehen und gesehen (aber nicht gehört) zu werden, dann wieder fix nach Hause an die Wallbox. 

Um für die breite Masse an touristischen Motorradfahrern interessant zu werden, brauchen Elektromotorräder entweder Akkus die 400 km am Stück durchhalten, und das nicht im Stadtverkehr sondern vor allem bei dynamischer Landstraßenfahrt oder im bepackten Reisemodus mit Sozius und Gepäck. Oder sie brauchen Ladetechnik die in 5-10 Minuten an einer normalen Steckdose ohne speziellen Schnelllader wieder für vollen Akku sorgt. (So schnell ist heutzutage noch nicht mal ein Handyakku wieder voll.) Und das alles bitte nicht mit 70kg Mehrgewicht verglichen zum Verbrenner.

Beim derzeitigen Stand der Technologie sind Elektromotorräder für die Art wie ich mein Hobby ausübe ungeeignet. Mag sein dass zukünftige Entwicklungen das ändern werden, aber im Augenblick kommt ein Elektromotorrad für mich nicht in Frage.

Fehlende Reize

Selbst wenn die Reichweiten- bzw. Ladeproblematik gelöst wäre, fehlt immer noch etwas. Motorradfahren ist ein Hobby für alle Sinne.

Man sieht die Landschaft mit anderen Augen, man riecht und schmeckt die Luft, man hört den Fahrtwind und den Motorensound, man fühlt die Umgebungstemperatur und wie die G-Kräfte auf den Körper wirken, man spürt den Motor unter sich arbeiten. Alles viel intensiver als im Auto, und jeder Reiz stellt einen Teil des Gesamterlebnisses Motorradfahren dar. 

Wenn Vibration und Klang eines Verbrennungsmotors nicht mehr da sind, fehlt vielen Bikern einfach ein Teil dieser Reize. Ob allein die eindrucksvollen Fahrleistungen von Elektromotoren das kompensieren können?

Ob das nahezu lautlose Dahinsurren durch die Landschaft womöglich einen ganz eigenen, neuen Reiz darstellen kann? Ohne neue Probleme auszulösen?

Risikofaktor Lautlosigkeit

Der markige Biker-Spruch „loud pipes save lifes“ mag zwar prollig wirken, hat aber auch einen Funken Wahrheit intus. Wenn Fahrzeuge nicht nur optisch, sondern auch akustisch wahrgenommen werden können, ist das ein Sicherheitsaspekt. Für alle Verkehrsteilnehmer.

Bei Elektroautos ist daher seit geraumer Zeit das sogenannte AVAS („Acoustic Vehicle Alerting System“) Pflicht: Elektroautos müssen insbesondere zum Fußgängerschutz bei Ortstempo ein Geräusch von sich geben, das beim Anfahren lauter wird. Oberhalb 20 km/h darf es wieder langsam leiser werden, da dann das Abrollgeräusch der Reifen immer deutlicher zu hören ist.

Grundlage dafür ist die EU-Verordnung 540, die aber nur für die Fahrzeugklassen M und N gilt, also im wesentlichen nur zweispurige Fahrzeuge mit vier oder mehr Rädern (PKW und LKW). Für die Fahrzeugklasse L der Motorräder gilt dieses Gesetz nicht. Wird man als Motorradfahrer eh schon regelmäßig übersehen, und künftig dann auch überhört? Wenig reizvolle Vorstellung.

Motorräder erzeugen auch bei höherem Tempo weit weniger Abrollgeräusche als Autos. Wenn die Hersteller aus Sicherheitsgründen freiwllig ohne gesetzliche Vorgabe ein AVAS in Elektromotorräder installieren, müsste dies darum in allen Geschwindigkeitsbereichen in gut wahrnehmbarer Lautstärke aktiv sein. Ob solch ein künstlich generiertes Fahrgeräusch für den Fahrer selbst, sowie für Passanten und Anwohner angenehmer und weniger nervtötend ist, als ein gewöhnliches Motorengeräusch, bleibt abzuwarten. Ich persönlich bin da skeptisch.

2 Antworten auf „Die Sache mit den Elektro-Motorrädern“

  1. Mein persönliches Highlight könnte der Durchbruch zu Wasserstoff Motoren sein aktuell bei Autoherstellern immer wieder Thematik und mit positiver Resonanz. Sollte es also in der kernforschung Erfolge mit der dauerhaften Aufrechterhaltung einer Kernfusion geben stünde der Wasserstoff Brennstoff Zelle nix im Wege. Saubere Energie bei gleichbleibenden Bedingungen. Kein Verzicht auf unsere geliebten Verbrenner Motoren mit Spiel Spaß und Action.

    1. Ich persönlich sehe viel Potential im Bereich der SynFuels (oder auch e-Fuels genannt). Synthetisch hergestellte Kraftstoffe aus Überschuss-Solarstrom und dem CO2 aus der Luft. Die Technologie gibt es bereits, diverse Testanlagen laufen. Derzeit noch nicht energieeffizient, also mit hohen Verlusten behaftet. Aber die Entwicklung geht auch da weiter. Vor allem in der Gesamtbetrachtung der CO2-Bilanz kann es interessant werden: SynFuels laufen ohne technische Umrüstung in bestehenden Otto- und Dieselmotoren. Kein Austausch der Fahrzeugflotte nötig wie bei Elektrofahrzeugen oder Brennstoffzellentechnik. Es muss nix neues gebaut/angeschafft werden, kein altes Auto/Motorrad muss auf den Schrott, und der CO2-Ausstoß durch die Förderung/Raffinierung von Erdöl fällt ja dadurch auch weg. Selbst wenn die SynFuels allein betrachtet eine schlechte Bilanz haben mögen (derzeit noch), kann das in der Gesamtschau aller Faktoren trotzdem eine gute Lösung sein.

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