Der Verbraucher ist verantwortlich

(Lesedauer: 4 min.)

Genau, der Verbraucher ist an allem schuld! Politik, Wirtschaft und Bauern tun doch nur das, was der Verbraucher wünscht.

Nicht nur im Zuge des „Volksbegehren Artenvielfalt“ wurden Äußerungen dieser Art wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Und ich kann es nicht mehr hören!

Diese Unsitte, die Schuld dem Verbraucher anzuhängen ist eine Frechheit. Wieso es unsinnig ist, die Missstände in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie dem Verbraucher anzulasten, erklärt Erwin Pelzig in einem emotionalen Kommentar.

(Ausschnitt aus „Die Anstalt“ vom 18.12.2018 – Die ganze Sendung gibt’s für begrenzte Zeit noch in der ZDF Mediathek: https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-18-dezember-2018-100.html)

Es ist nicht richtig, dieses viel zu billige und unter fragwürdigen Bedingungen hergestellte Angebot an Nahrungsmitteln zu rechtfertigen mit der angeblich mangelnden Verbrauchernachfrage und zu behaupten den Menschen wäre besseres Essen nichts wert.

Der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage ist keine Einbahnstraße

Das Zusammenspiel funktioniert immer in beide Richtungen! So wie Nachfrage auf das Angebot wirkt, so kann der Markt auch Nachfrage schaffen und steuern, indem er das Angebot bestimmt.

Gesetzgeber und Wirtschaft könnten über Auswahl und Darstellung des Angebots die Nachfrage durchaus beeinflussen. Und sie tun es ja bereits aktiv mit dem minderwertigen, massenproduzierten Zeug das sie auf den Markt werfen. Genau damit haben sie die Nachfrage nach billigsten Lebensmitteln doch erst geschaffen.

Das heutige „konventionell“ sollte deutlich deklarierungspflichtig werden. Wie wäre es mit sichtbaren Warnhinweisen welche Chemikalien in Form von Kunstdüngern & Ackergiften für die Gurke und den Salatkopf eingesetzt wurden? Infos unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten und geschlachtet wurden (evtl. sogar Fotos wie auf Zigarettenschachteln)? Dann würde sich das Nachfrageverhalten der Verbraucher recht zügig ändern. Politik und Industrie könnten das steuern. Wenn sie wollten.

Ich zum Beispiel möchte nur Fleisch von Tieren aus Weide- bzw. Freilandhaltung. Ich will nichts aus Großmastbetrieben. Aber wie kann ich als Verbraucher an der Fleischtheke herausfinden, welches Angebot meiner Nachfrage entspricht? Die „Fleischereifachverkäufer“ wissen meistens nicht woher das Fleisch stammt, bzw. wird man ganz oft mit verdrehten Augen angeschaut wenn man etwas diesbezügliches nachfragt.

Die einzige Chance die die Verbraucher tatsächlich hätten, wäre einen ganzen Tag und viele Kilometer Fahrt für ihren Einkauf aufzuwenden, und von Hof zu Hof, von Direktvermarkter zu Direktvermarkter zu fahren.

Das ist aber aus vielerlei Gründen nicht praktikabel. Scheitert oft schon an örtlich erreichbaren (biologisch arbeitenden) Direktvermarktern, und die Bauern- bzw. Wochenmärkte sind für Berufstätige meistens keine Option, da werktags zu Arbeitszeiten. Und oft stehen dort dann wiederum konventionell erzeugte, also gespritzte Gemüse zur Wahl. Generell fehlt’s den meisten ganz sicher an der Zeit stundenlang herumzufahren, um sich hier und dort das zusammen zu kaufen was man braucht, und die Ökobilanz dieses immensen Individualverkehrsaufkommens das wir durch solch ein Einkaufsverhalten erzeugen würden, wäre eine Katastrophe.

Es muss den Verbrauchern die Möglichkeit geben werden, gute Lebensmittel auf einfachem Wege zu erhalten: im Supermarkt. Ersetzt den Industriemüll dort in den Auslagen durch hochwertig und nachhaltig erzeugte Produkte. Kennzeichnet alle anderen Produkte. Und ihr werdet euch wundern, wie die Nachfrage aussieht, die es angeblich nicht gibt.

Ein funktionierendes Beispiel wie die Politik die Nachfrage steuern kann durch eine Deklarierungspflicht wie ich sie oben vorgeschlagen habe:

Bei Eiern gibt es eine Kennzeichnungspflicht der Haltungsformen schon seit 2004. Und was ist in diesen bald 15 Jahren bis heute passiert?

Aus der ursprünglich dominanten Haltungsform Käfighaltung (mit fast 70% der Haltungsplätzen damals) wurde ein Ladenhüter: 6 Jahre nach Einführung der Kennzeichnung wurde die Käfighaltung in Deutschland verboten, zwei Jahre darauf EU-weit (Kleingruppenhaltung oder sog. „ausgestaltete Käfige“ blieben weiterhin erlaubt). Heute leben weniger als 7% der Legehennen in dieser Haltungsform.

Dafür stieg die Zahl der Legehennen in Bodenhaltung auf 63% an, die in Freilandhaltung auf 19%, und die Haltungsplätze in ökologischer Erzeugung haben sich seitdem mehr als verdoppelt auf heute über 11%, also sind sogar Bio-Hennen inzwischen verbreiteter als ihre armen Artgenossen in Käfigen!

Anzahl der Legehennen in Deutschland im Juni 2017 und 2018 nach Haltungsformen (in Millionen), Quelle: Statista

Wenn wir alle tierischen Produkte, vor allem Fleisch und Wurst derart kennzeichnen würden wie Eier (wo lebte das Tier, unter welchen Bedingungen lebte es, wie weit wurde es transportiert, endete das Leben beim industriellen Massenschlachtbetrieb, beim regionalen Schlachthof oder bei Weidetötung), dann würde sich die Nachfrage der Menschen noch schneller ändern als bei den Eiern, da bin ich sicher. Nur man hält diese Informationen absichtlich von den Menschen fern und beraubt sie damit der Möglichkeit eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen.

(Quellen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150895/umfrage/anzahl-der-legehennen-nach-haltungsformen-in-deutschland/ und https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaftFischerei/TiereundtierischeErzeugung/AktuellGefluegel.html)

Mit der Blockchain-Technologie könnte die totale Transparenz in der Erzeugerkette Realität werden.

Ein QR-Code auf dem Produkt im Ladenregal könnte dem Verbraucher ALLE Informationen über das Lebensmittel zur Verfügung stellen.

Umfassend und manipulationssicher wie sonst kein Track&Trace System bisher.

„Ein Block entstände zum Beispiel bei einem Obstbauern, dessen Himbeeren Zutaten in einem verarbeiteten Produkt sind. Der Datensatz enthielte beispielsweise die Pflanzenart, die Historie der Behandlung der Pflanze, Erntedatum, eventuell weitere Informationen wie Temperatur, Wetterbedingungen und ähnliches. Der nächste Datensatz könnte beim Verpacker entstehen mit Daten zu Lagertemperatur, Reinigung der Anlage und ähnlichem; der nächste Block beim Transport, der nächste mit Verarbeitungsdaten in der Weiterverarbeitung, und dann Schritt für Schritt weiter bis zum Verkaufsregal im Einzelhandel.“

https://www.bll.de/de/aktuell/20180822-blockchain-fuer-rueckverfolgbarkeit-und-lebensmittel-sicherheit-entlang-der-kette-food-branche

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