Wenn man diese im European Journal of Epidemiology veröffentlichte Studie der Harvard University liest, ist es fraglich ob die Impfung wirklich zentraler Schlüssel und der große Game Changer im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist. Oder ob sie bestenfalls nur ein Baustein unter vielen ist, dessen Wichtigkeit jedoch überschätzt wurde (und wird). Denn im Fazit kommt man zu dem Schluss:
„The sole reliance on vaccination as a primary strategy to mitigate COVID-19 and its adverse consequences needs to be re-examined“
(Das alleinige Vertrauen auf Impfungen als primäre Strategie zur Eindämmung von Covid-19 und seinen nachteiligen Folgen muss neu auf den Prüfstand gestellt werden)
Diese Forderung folgt u.a. aus diesen Erkenntnissen der Studie:
„there appears to be no discernable relationship between percentage of population fully vaccinated and new COVID-19 cases“
(Es scheint, als bestünde keine erkennbare Beziehung zwischen dem Anteil vollständig geimpfter Bevölkerung und neuen Covid-19 Fällen)
„the trend line suggests a marginally positive association such that countries with higher percentage of population fully vaccinated have higher COVID-19 cases per 1 million people“
(Die Kurve lässt einen Zusammenhang vermuten, dass Länder mit einem höheren Prozentsatz vollständig geimpfter Bevölkerung marginal mehr COVID-19-Fälle pro 1 Million Menschen haben)
„There also appears to be no significant signaling of COVID-19 cases decreasing with higher percentages of population fully vaccinated“
(Außerdem scheint es keine signifikanten Anzeichen zu geben, dass die Covid-19 Fallzahlen sinken bei höherem Prozentsatz vollständig geimpfter Bevölkerung)
In den britischen Überwachungsberichten zu den Covid-19-Impfstoffen zeichnet sich ebenfalls ab, dass vollständig geimpfte Erwachsene ab einem Alter von 30 Jahren ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 haben könnten. Siehe hier auf Seite 13: In den mittleren Altersgruppen scheinen Geimpfte ein teils doppelt so hohes Infektionsrisiko zu haben.
Auch das Robert-Koch-Institut räumt mittlerweile ein, dass derzeit nicht genau quantifiziert werden kann, in welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus überhaupt verringern kann. Das klang vor kurzem noch anders. Dennoch unterstellt das RKI weiterhin eine deutliche Verminderung des Übertragungsrisikos nach Impfung. Man fragt sich nur, wie sie zu diesem Schluss kommen, wenn doch keine Quantifizierung möglich ist, und man die obigen Erkenntnisse im Blick hat.
Bleibt als letztes Argument der Individualschutz für die geimpfte Person selbst. Also die Verringerung des Risikos eines schweren Verlaufs oder des Versterbens an Covid-19. Diese Wirkung scheint die Impfung tatsächlich zu haben, wenngleich für die inzwischen dominierende Delta-Variante nur in reduziertem Umfang, so das RKI.
Und leider hält dieser Schutz allem Anschein nach auch weit weniger lange an als bisher angenommen. Weswegen nun offen im Gespräch ist, den Geimpften-Status nach 9 Monaten wegen Wirkungslosigkeit wieder gänzlich verfallen zu lassen. So wie es beispielsweise Österreich bereits praktiziert.
In Zusammenhang mit dem in der Berliner Zeitung veröffentlichten Blick auf die Situation in weiteren europäischen Ländern, darf man wirklich fragen ob an der Strategie „Impfung als einziger Weg aus der Pandemie“ festzuhalten ist. Ich zitiere:
„Die Nachrichtenagentur AP analysiert, dass Europa (…) „trotz der ausreichenden Versorgung mit Impfstoffen zum Epizentrum der Pandemie geworden“ sei.“
„In Dänemark, wo die Impfquote ebenfalls sehr hoch ist, ist die Lage dagegen wieder sehr angespannt. (…) Am Montagabend gab Frederiksen die Rückkehr zur 3G-Regelung bekannt.“
„Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Impfung zeigen sich auch in Schweden: Die Zeitung Svenska Dagbladet berichtet, dass im September 70 Prozent der als Corona-Tote geführten Fälle geimpfte Personen waren.“
„Auch in Finnland und Island steigen die Infektionszahlen deutlich an – eine für Experten überraschende Entwicklung, zumal Finnland einen harten Lockdown hinter sich hat und die Impfquote gut ist.“
„Wie schwer eine Zuordnung der Infektionen zur Impfquote ist, zeigt der Vergleich zwischen Österreich und der Schweiz. In beiden Ländern ist die Impfquote etwa gleich (…) Dennoch hat Österreich bereits wieder gleich viele Neuinfektionen wie am Höhepunkt der Pandemie, während die Schweiz laut Reuters-Zahlen nur auf 18 Prozent des Höchstwerts kommt.“
„Auch das Beispiel der Türkei zeigt, dass Impfquote und Infektionsgeschehen nicht unbedingt zusammenhängen müssen: Die Zeitung Hürriyet berichtet, dass die nördliche Provinz Karabük die höchsten Inzidenzwerte aufweise, obwohl die Impfquote dort deutlich über dem Landesschnitt liegt. In der Provinz Sırnak dagegen, wo die Impfquote am niedrigsten sei, liege die Zahl der Neuinfektionen deutlich unter denen in anderen Provinzen.“
Dazu unbedingt lesenswert diese zwar lange, aber auf zahlreichen Quellen aufgebaute Beschreibung der derzeitigen Situation von Bert Ehgartner: Immunologische Schubumkehr
Es bleibt nach wie vor einigermaßen unklar ob die Impfung für die Infektionszahlen und Inzidenzen wirklich das bewirkt was man sich erhofft hatte, oder ob nicht andere Faktoren und Maßnahmen mindestens ebenso großen, wenn nicht größeren Einfluss auf das Pandemiegeschehen haben. Oder ob die bittere Erkenntnis vielleicht auch einfach ist: wir können nichts ändern und völlig egal was wir tun, das Virus agiert wie es will. Wir sind bloß ein Spielball der Natur, machtlos auf das Geschehen maßgeblich einzuwirken?
Wenn also fraglicher wird, ob die Impfung realistischerweise noch als DER Game Changer in der Pandemiebekämpfung betrachtet werden kann, oder ob es nicht vielleicht irgendwie wurscht ist man ob geimpft oder ungeimpft ist, erscheint die an ein System der Rassentrennung erinnernde Spaltung der Gesellschaft in „die einen“ und „die anderen“ umso absurder. Freiheiten für die einen und Einschränkungen für die anderen sind da kaum noch zu verargumentieren. Ebenso wie der Ruf nach einer Impfpflicht, der im Hinblick auf diese Erkenntnisse schon nahezu lachhaft erscheint.
Sogar Christian Drosten betont: „Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie“ und zu der trügen alle bei, auch Geimpfte. Das Narrativ von der „Pandemie der Ungeimpften“, von der Politiker immer wieder sprechen, hält er für falsch und schädlich.
Bleibt einfach friedlich und co-existiert als Geimpfte und Ungeimpfte in Akzeptanz der freien Entscheidung des anderen. In Liebe und Freundschaft, vereint in Menschlichkeit! Eine Impf-Apartheid, welche „die einen“ von „den anderen“ separiert brauchen wir faktisch nicht. Sie führt offenbar zu nichts, also lassen wir uns nicht spalten.