Der Absolutheitsanspruch der Wissenschaft

(Lesedauer: 3 min.)

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass die Wissenschaftsgesellschaft nie alles weiß, und erstaunlicherweise dennoch stets meint, sie sei auf dem Gipfel der Erkenntnisse angelangt und dürfe „Unbewiesenes“ als Humbug abtun. Es gibt historisch unzählbar viele Belege für die Fehlbarkeit der Wissenschaft, und für die spätere Beweisbarkeit einst als unwissenschaftlich abgetaner Ansichten. Andersherum erscheinen uns zahlreiche einst als wissenschaftlich gesichert geltende Methoden heute mitunter lachhaft, zumindest aber äußerst fragwürdig. Wissenschaftliche Beweise sind meines Erachtens daher stets als „nur auf Zeit“ zu betrachten. Trotzdem erdreisten sich zeitgenössische Wissenschaftler immer wieder mit einem gerüttelt Maß an Arroganz auf bis dato (noch) nicht beweisbare Sichtweisen herabzublicken.

Die Wissenschaft als die absolute und alleingültige Basis einer Diskussion zu betrachten, sehe ich darum als etwas zu eng gefasst, offen gestanden. Denn die Wissenschaft kann bestenfalls einen winzigen, augenblicklichen Ausschnitt der Wahrheit abbilden bzw. beweisen. Oder aber auch an der Wahrheit vorbei völlig irren!

Einst dachte man, die Sonne drehe sich um die Erde. Kopernikus wurde als Narr betitelt und Galilei von der Inquisition verurteilt, weil sie das Gegenteil behaupteten. Dass es sowas wie Radioaktivität gibt, war der Wissenschaft unbekannt bevor A.H. Becquerel sie entdeckte. Und wie gefährlich sie war, bemerkte man erst nach dem Bombenabwurf in Hiroshima. Davor wurde in Deutschland bis Mitte der Vierzigerjahre noch die radioaktive Zahnpasta „Doramad“ als Meilenstein und Wunderheilmittel angepriesen mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, ionisierende Radium-Strahlung wäre gesund. Einstein hat für seine Relativitätstheorie den Nobelpreis nicht erhalten, denn seinerzeit hatte sie den Horizont das Gelehrten-Komitees noch überschritten. Sie haben Einstein nicht verstanden.

Die Wissenschaft lebt in ihrem Status Quo und zelebriert diesen. Der Umstand, dass dieser Status Quo jederzeit widerlegt oder revidiert werden könnte, wird hochnäsig ausgeblendet. Stattdessen werden Andersdenkende und Freigeister diffamiert oder aus wissenschaftlichen Kreisen ausgeschlossen. Vor allem wenn sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Establishments in Frage stellen, und durch neuartige Blickwinkel das etablierte Wissensgefüge in sich zusammenzufallen droht. Es kratzt am übergroßen Ego der Wissenschaftseliten wenn sie Irrtümer zugeben müssten.

Das widerspricht meines Erachtens aber der natürlichen Neugierde und dem Forscherdrang der jedem Wissenschaftler innewohnen sollte. Das Ego sollte dem Durst nach neuem, bisher unbekanntem Wissen untergeordnet sein. Dennoch ist es historisch seit Hunderten von Jahren zu beobachten, dass die Wissenschaftsgesellschaft aus unerklärlichen Gründen im Wissensstand ihrer Zeit verharrt und revolutionäre Denkansätze in aller Regel abschmettert.

Früher waren es meist religiöse Weltbilder die wissenschaftliche Neuerungen blockierten. Heute liegt es oftmals an Wirtschaftszweigen, die auf bestimmte Kenntnisstände bauen. Dann scheint es fast unmöglich von überholtem Wissen ab- und neue Erkenntnisse zuzulassen. Denn es hängt viel Geld daran. Es ist Ablehnung von Veränderung, um die eigenen Pfründe zu sichern. Dadurch wurden finanzielle Abhängigkeiten wissenschaftlicher Arbeit geschaffen, die wirklich freies Denken oftmals gar nicht mehr zulassen sondern Forschung in eine ganz bestimmte Richtung lenken.

Wissenschaft ist darum nicht die objektive Moralinstanz als die sie sich gern präsentiert. Wissenschaft hat immer ein Problem mit Subjektivität und Befangenheit. Ganz besonders dann wenn sie wirtschaftlichen Interessen dient.

Meine ganz persönliche Meinung daher: Wir sollten stets offen bleiben und andere Ansichten, die bei heutigem Forschungsstand als (noch) nicht beweisbar gelten, zulassen. Auch wenn wir uns dabei „vom wissenschaftlichen Boden entfernen“. Denn dieser war historisch betrachtet schon immer nur eine driftende Scholle in stetiger Bewegung zu neuen Positionen. Als solcher ist der momentane wissenschaftliche Stand sicherlich ein wichtiger Aspekt und damit eine gute Ausgangslage für Diskussionen. Aber als alleingültig darf er nicht betrachtet werden, sonst tritt man auf der Stelle und kommt nicht voran. Der Blick über den wissenschaftlichen Tellerrand hinaus sollte zu keiner Zeit vermieden werden.

Die Wissenschaft von heute ist der Irrtum von morgen.“ (Jakob von Uexküll, deutsch-schwedischer Biologe, 1864-1944)

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